10. Dezember 1848: Rückendeckung für Venedey
Der Bürgerverein zu Meisenheim wendet sich heute brieflich an Jakob Venedey, den Abgeordneten des Landgraftums Hessen-Homburg in der Nationalversammlung. Der Vereinsvorstand erklärt, dass Venedey das volle Vertrauen der Meisenheimer Wählerschaft genieße, und fordert ihn auf, dem neu gegründeten Zentralmärzverein beizutreten. Der vor zweieinhalb Wochen gegründete Zentralmärzverein war der erste Versuch, eine moderne deutschlandweite Partei zu etablieren; sein Ziel war die Verteidigung der revolutionären Errungenschaften gegen die erstarkende Reaktion. Die Wortführer der Meisenheimer Bürgerschaft sind also nicht nur gut informiert, sondern beziehen politisch auch klar Position.
26. November 1848: Venedey: Keine Einheit ohne Freiheit
In der Krise nach der blutigen Niederschlagung des Wiener Oktoberaufstandes und der Erschießung von Robert Blum ringt die Nationalversammlung um den richtigen Kurs. Nicht wenige Stimmen meinen, man müsse zuerst die nationale Einheit herstellen, und sich erst später um demokratische Strukturen bemühen. Der Hessen-Homburger Abgeordnete Venedey als überzeugter Republikaner bleibt seinen Prinzipien treu und vertritt sie sprachgewaltig in einem Leserbrief in der Darmstädter Neuen Deutschen Zeitung: Es sei falsch zu glauben, „Männer, die ihr Vaterland lieben, dürften die Freiheit preisgeben, wenn nur die Einheit Deutschlands dafür geboten würde. Nein ich glaube, dass die Einheit eines Volkes ohne Freiheit eine hohle Frucht ist. Und deswegen habe ich für Freiheit und Einheit gekämpft und werde dafür kämpfen.“
19. Oktober 1848: trübe Aussichten
Der „Homburger Beobachter“ vom heutigen Tag gibt ein Resümee der Lage, die alles andere als rosig aussieht: Wegen des Septemberaufstands in Frankfurt besteht immer noch – wie schon vor der Revolution – ein Versammlungsverbot; der schon im August gewählte Landtag ist immer noch nicht einberufen worden, wodurch sich ein erheblicher Reformstau bildet; und die Nationalversammlung plant ein Glücksspielverbot, was die Schließung des wichtigsten Homburger Gewerbebetriebs bedeuten würde. Die Zeitung fasst die Stimmung so zusammen: „Bei uns sind die Aussichten in die Zukunft trübe. [...] Wie soll’s dann werden?!“
18. Oktober 1848: „Homburg jetzt töten“
Der Verfassungsausschuss der Nationalversammlung diskutiert heute die künftige föderale Ordnung in Deutschland. Als es um die Zwergstaaten und damit um Hessen-Homburg geht, meldet sich der Historiker Georg Waitz zu Wort: „Waitz bemerkt, dass man gestern daran war, es zu Darmstadt zu legen; aber es wird, wenn es einst an Darmstadt fällt, dessen staatliche Bedeutung gar nicht ändern. Deshalb schlägt er vor, es schon jetzt zu töten.“ In einem künftigen Deutschland gibt es für das Landgraftum keinen Platz mehr – erst recht, weil das Aussterben der Dynastie und damit das Ende des Staates ohnehin absehbar ist.
17. Oktober 1848: Kritik an Venedey +++ Bildung des Österreich-Ausschusses
Heute erscheint im „Homburger Beobachter“ ein Artikel, der scharfe Kritik Jakob Venedey übt, dem Wahlkreisabgeordneten des Landgraftums Hessen-Homburg in der Nationalversammlung. Venedey wisse nichts über seine Wähler, ihre Anliegen und Erwartungen an ihn; er würde sich nicht einmal die Mühe machen, in Homburg Präsenz zu zeigen und das Gespräch mit seinen Wählern zu suchen.
Im Parlament ist der Gescholtene unverdrossen aktiv: Als Reaktion auf eine Initiative von ihm wird dort heute der „Ausschuss für die österreichischen Angelegenheiten“ eingerichtet, der sich mit einer der Kernfragen der nationalen Einigung beschäftigt, nämlich der Zugehörigkeit Österreichs zu Deutschland.
13. Oktober 1848: Spielbankfrage in der Nationalversammlung
Die Nationalversammlung beschäftigt sich mit einer Petition aus Köln, in der ein allgemeines Glücksspiel-Verbot gefordert wird. Der zuständige Ausschuss empfiehlt dem Parlament, umgehend das Verbot aller Spielbanken in Deutschland zum 1. Januar 1849 zu beschließen. In Homburg ist man alarmiert – aus gutem Grund, denn der Wohlstand von Stadt und Landgrafschaft fußt zu einem erheblichen Teil auf der 1841 eröffneten Spielbank, die ja gerade davon profitiert, dass in vielen anderen deutschen Staaten Spielcasinos illegal sind.
8. Oktober 1848: Fahnenweihe in Friedrichsdorf
Heute wird mit großer Feierlichkeit die Fahne der Friedrichsdorfer Bürgergarde geweiht. Nicht nur das Offizierskorps der Homburger Bürgerwehr nimmt daran geschlossen teil, auch der Hessen-Homburger Abgeordnete in der Nationalversammlung, Jakob Venedey, gibt sich die Ehre und hält eine Festrede. Dabei betont er die wichtige Rolle der Bürgerwehren für die Gewährleistung von Ruhe und Ordnung als erster Bürgerpflicht, damit das Revolutionsprojekt auf dem eingeschlagenen „gesetzlichen Weg“ vorangebracht werden kann und nicht, wie vor wenigen Wochen beim Frankfurter Septemberaufstand, in Blutvergießen eskaliert. Mit Homburg, Meisenheim und Friedrichsdorf sind jetzt alle drei Städte des Landgraftums mit komplett ausgestatteten Bürgerwehren versorgt.
30. September 1848: Venedey erklärt sich
Nachdem sich der Pulverdampf des Frankfurter Septemberaufstandes gelegt hat, erklärt Jakob Venedey, der Hessen-Homburger Abgeordnete in der Nationalversammlung, in einem ausführlichen Schreiben an den Meisenheimer Bürgerverein seine politische Position. Er antwortet damit auf einen Brief der Meisenheimer, die erklärt hatten, dass nach der Annahme des Waffenstillstands von Malmö die Nationalversammlung kaum noch beanspruchen könne, das Vertrauen des Volkes zu besitzen. Venedey, der gegen die Annahme des Waffenstillstands gestimmt hatte, wirbt dennoch weiter für die Arbeit des Parlaments. Er selber werde alles daran setzen, die Errungenschaften des Frühjahrs „trotz aller Bestrebungen unkluger Freunde und sehr kluger Feinde“ zu verteidigen.
22. April 1848: Sozial- und Steuerreform
Nachdem der Regierungschef Christian Bansa sich letzte Woche persönlich ein Bild von den Verhältnissen in Meisenheim gemacht hat, erlässt Landgraf Gustav heute ein Gesetz, mit dem zwei wichtige Meisenheimer Märzforderungen erfüllt werden. Zum einen wird die Sozialfürsorge kommunalisiert, das heißt: die örtlichen Armenkommissionen unterstehen nicht länger der Homburger Amts-Armenkommission, sondern können eigenständig wirtschaften. Damit ist gewährleistet, dass die vor Ort erwirtschafteten Mittel auch für die dortigen Bedürftigen verwendet werden und nicht nach Homburg abfließen können. Außerdem nimmt der Landgraf die vor kurzem verfügte Erhöhung der Erbschaftssteuer wieder zurück. Es gilt damit wieder der frühere Steuersatz von 2,5%. Kurz vor der Wahl zur Nationalversammlung kommt der Landgraf damit zwei wichtigen, praktischen Forderungen der Meisenheimer Bürgerschaft entgegen.
21. April 1848: Satzung des Bürgervereins
Der vorgestern gegründete Bürgerverein zu Homburg veröffentlicht heute seine Statuten. Er wird künftig an zwei Tagen in jeder Woche ein Treffen abhalten. Sein Ziel ist die „erheiternde und belehrende Unterhaltung durch gegenseitige Mitteilung und Verständigung über Zeitereignisse, die Entwicklung des Volkslebens und Fortschritte in Kunst und Wissenschaft, sofern sie ins Leben eingreifen“. Er versteht sich also als öffentliche Kommunikationsplattform und Debattierclub – umso wichtiger, als es auch heute, anderthalb Monate nach Erlangung der Pressefreiheit, immer noch keine Zeitung in Homburg gibt.
19. April 1848: Gründung des Bürgervereins +++ Einzelheiten zur Wahl
Heute findet die Gründungsversammlung des „Bürger-Vereins zu Homburg“ statt. Der Verein soll für die politische Bildung seiner Mitglieder sorgen, ein Forum für Debatten bilden und als Sprachrohr für die politischen Interessen der Homburger Bürgerschaft dienen. Damit kommt es zu einer ersten politischen Vereinsbildung – ein erster Vorläufer späterer Parteien.
Es werden weitere Einzelheiten zur bevorstehenden Wahl bekannt: Das Wählerverzeichnis zählt in der Stadt Homburg 1.066 Wahlberechtigte, im Amt Homburg 2.364 und im linksrheinischen Oberamt Meisenheim insgesamt 3.541. Die rechnerische Überzahl der Meisenheimer wird aber durch das Wahlmännersystem ausgehebelt: In Stadt und Amt Homburg sind insgesamt 31 Wahlmänner zu bestimmen, in Meisenheim nur 27.
18. April 1848: Wahlbekanntmachung
Die Wahl zu einem ersten gesamtdeutschen Parlament, zur Nationalversammlung, rückt näher. In der heutigen Bekanntmachung erklärt die Landesregierung das Wahlverfahren, das in Hessen-Homburg zur Anwendung kommen wird. Wahltermin ist der 26. April. Es findet eine allgemeine, gleiche und indirekte Wahl statt: Wahlberechtigt sind alle volljährigen Männer, die im Landgraftum wohnen und im Besitz der Bürgerrechte sind. Auf 100 Wähler kommt ein Wahlmann, und es obliegt dann den Wahlmännern, einen Abgeordneten zu wählen.
13. April 1848: Meldepflicht +++ Bansa in Meisenheim
Gestern wurden die Homburger zur Rücksicht auf den Kurbetrieb gemahnt, heute veröffentlicht die Regierung eine zweite Ermahnung und erinnert an die Meldepflicht: Alle Kurgäste haben sich innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Ankunft behördlich zu melden. Das ist streng zu beachten, um sich vor „einschleichenden Volksaufwieglern“ zu schützen.
Der Regierungschef Christian Bansa macht sich heute auf den Weg nach Meisenheim, um dort einen Antrittsbesuch abzustatten und sich ein Bild von den Verhältnissen im linksrheinischen Teil des Landgraftums Hessen-Homburg zu machen. Er hat diesen Besuch bereits vor zwei Wochen angekündigt und wird entsprechend von den Meisenheimern erwartet.
12. April 1848: Schadet die Revolution dem Kurbetrieb?
Homburg rüstet sich für die beginnende Kursaison. Dazu gibt es am heutigen Tag einen Aufruf an die Bürger der Stadt, sie mögen bei ihren politischen Aktivitäten Rücksicht auf den Kurbetrieb nehmen. Vor allem geht es dabei wohl um nächtliche Ruhestörungen in Form so genannter „Katzenmusiken“, mit denen politische Gegner in ihren Häusern heimgesucht werden.
9. April 1848: Hamel zurückgetreten!
Johann Georg Hamel hat heute öffentlich den Rücktritt von seinem Amt als Homburger Stadtrat erklärt. Als Grund nennt er die Anfeindungen, denen er ausgesetzt ist, seit er als Abgeordneter im Vorparlament dort aktiv dafür eingetreten ist, dass die Landgrafschaft Hessen-Homburg einen eigenen Abgeordneten in die Nationalversammlung wählen darf, obwohl sie eigentlich zu klein für einen eigenen Wahlkreis ist. Damit hat er sich offenbar nicht nur Freunde gemacht; für seine Kritiker steht dieses Festhalten an der Kleinstaaterei vielmehr im Gegensatz zum großen Ziel der nationalen Einheit.
6. April 1848: Reinhardt entlassen!
Seit zwei Wochen fordern die Meisenheimer Bürger mit Nachdruck die Entlassung des Oberamtmanns Johann Georg Martin Reinhardt. Heute gibt die Landesregierung nach und entbindet den unbeliebten Spitzenbeamten von seinen Aufgaben. Reinhardt, der seit 1832 die Landesregierung im Oberamt Meisenheim vertreten hat, gilt als Verkörperung eines harten Restaurationskurses. Mit seiner Entlassung ist jetzt auch im linksrheinischen Teil der Landgrafschaft der Weg frei für einen personellen Neuanfang, wie er auf Landesebene mit der Regierungsumbildung Ende März bereits vollzogen worden ist.
31. März 1848: Hamel im Vorparlament +++ Brief an die Meisenheimer
Bereits in der ersten Sitzung des Vorparlamentes meldet sich der Homburger Abgeordnete Johann Georg Hamel zu Wort: Der Beschlussentwurf der Versammlung sieht vor, dass für die künftige Nationalversammlung Wahlkreise mit jeweils 70.000 Einwohnern gebildet werden. Da die Landgrafschaft Hessen-Homburg nur 25.000 Einwohner zählt, beantragt Hamel, dass unabhängig von seiner Größe jeder Staat zumindest einen Abgeordneten entsenden solle. Es folgt eine hitzige Debatte – und am Ende setzt sich Hamels Antrag durch: Die Richtgröße der Wahlkreise wird auf 50.000 Einwohner festgesetzt, aber auch die noch kleineren Staaten dürfen einen Abgeordneten wählen. Damit ist gewährleistet, dass Hessen-Homburg in der Nationalversammlung vertreten sein wird.
In Meisenheim, dem linksrheinischen Teil der Landgrafschaft Hessen-Homburg, wird heute ein Brief des neuen Homburger Regierungschefs Christian Bansa veröffentlicht, der seit wenigen Tagen im Amt ist: Er verspricht, so bald als möglich nach Meisenheim zu kommen, um dort das Gespräch mit der Bürgerschaft zu suchen und deren Forderungen kennenzulernen – eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme der neuen Regierung gegenüber der aufgebrachten Meisenheimer Bürgerschaft.
30. März 1848: Abreise der Abgeordneten zum Vorparlament
Geheimrat Christian Bansa, Justizrat Friedrich Albrecht von Haupt und Stadtrat Johann Georg Hamel reisen heute nach Frankfurt ab, um dort morgen an der konstituierenden Sitzung des Vorparlamentes teilzunehmen. Das Vorparlament ist kein Parlament im eigentlichen Sinne, sondern eine Versammlung von Landtagsmitgliedern und revolutionären Wortführern aus ganz Deutschland. Es soll die Wahlen zu einer gesamtdeutschen Volksvertretung vorbereiten. Weil sich die Homburger die Freiheit genommen haben, gleich drei Vertreter zu entsenden, ist die kleine Landgrafschaft unter den rund 570 Teilnehmern überproportional stark vertreten – zum Vergleich: aus dem Königreich Hannover reisen acht Deputierte an, aus dem Kaisertum Österreich nur zwei.
28. März 1848: Wahlen zum Vorparlament
Die Revolutionen in den einzelnen Ländern werden national, auch in Hessen-Homburg: Heute versammeln sich Homburger Bürger, um Abgeordnete für das Frankfurter Vorparlament zu wählen. Die wichtigste Aufgabe dieses Gremiums wird die Vorbereitung der Wahlen zur Nationalversammlung sein. Das Vorparlament selbst ist noch nicht durch allgemeine Wahlen legitimiert, sondern eine heterogene revolutionäre Versammlung. Aus Hessen-Homburg werden entsandt: der neue Regierungschef Christian Bansa, der Chef des landgräflichen Justizamtes Friedrich Albrecht von Haupt und der Fabrikant, Kommunalpolitiker und Lokalhistoriker Johann Georg Hamel, der schon 1841 eine Verfassung für Hessen-Homburg gefordert hatte und einer der Wortführer der hiesigen Revolutionsbewegung ist.
26. März 1848: allgemeines Wahlrecht +++ erneute Rücktrittsforderung
Die gestern ins Amt gekommene neue Landesregierung ist offenbar bereit, die Forderungen nach einer Verfassung zu erfüllen und dabei den Revolutionären entscheidend entgegenzukommen. In der Beilage zum Amts- und Intelligenzblatt wird heute veröffentlicht, dass „die Grundlage der Hessen-Homburgischen Verfassung [...] die freieste seyn wird, welche bis jetzt in Deutschland besteht“. Konkret verspricht die Regierung ein allgemeines, gleiches Wahlrecht, das nicht an Vermögen gebunden ist.
In Meisenheim zeigen die Bürger, dass sie dem Landgrafen nicht mehr ohne weiteres das letzte Wort lassen. Erst vor drei Tagen hatten sie die Entlassung des Oberamtmanns Johann Georg Martin Reinhardt gefordert, was aber vom Landgrafen abgeleht worden ist. Damit finden sie sich nicht ab und erneuern heute ihre Forderung nach einer Entlassung des unnachgiebig-obrigkeitsstaatlichen Spitzenbeamten im Oberamt Meisenheim.
25. März 1848: Regierungsumbildung +++ Gemeindeordnung +++ Verfassungsfrage
Landgraf Gustav kommt dem Druck der Revolution entgegen und bildet die Regierung um. Der in der Bürgerschaft unbeliebte Regierungsdirektor Ludwig Karl Wilhelm Henrich nimmt seinen Hut. Als neuen Ministerpräsidenten beruft der Landgraf einen prominenten Liberalen: Der Jurist Dr. Christian Bansa, geboren 1791 in der Burg Friedberg, saß in den 1830er Jahren zeitweise sogar im Gefängnis, weil er am Hambacher Fest teilgenommen hatte. Von 1832 bis 1834 war er Mitglied des Landtags von Hessen-Darmstadt und ist mit dem dortigen neuen Regierungschef Heinrich von Gagern befreundet. Die Landgrafschaft Hessen-Homburg hat damit jetzt ebenfalls eine „Märzregierung“.
Der neue Regierungschef bekommt gleich reichlich zu tun: Nachdem vor drei Tagen die Meisenheimer Bürgerversammlung einen Entwurf für eine neue Gemeindeordnung beschlossen hat, wird heute ein entsprechender Gesetzesentwurf als Petition dem Landgrafen vorgelegt. Er sieht eine wesentliche Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung vor.
Ebenfalls aus Meisenheim kommt heute die Delegation aus der Homburger Bürgerschaft zurück, die sich in den letzten Tagen mit den dortigen Revolutionären abgestimmt hat. Das wichtigste Ergebnis: Auch die Meisenheimer befürworten die Forderung nach einer Landesverfassung für Hessen-Homburg. Eigentlich ist die Landgrafschaft ohnehin durch den Deutschen Bund zur Einführung einer Verfassung verpflichtet, die Landgrafen haben das aber in den letzten 30 Jahren stets blockiert.
23. März 1848: Die erste Zeitung +++ Rücktrittsforderungen
Heute gibt es die erste Ausgabe des „Meisenheimer Boten“, der ab jetzt zweimal wöchentlich erscheinen soll. Nachdem Landgraf Gustav erst vor rund zwei Wochen auf Druck der Demonstranten die Pressefreiheit verkündet hat, gibt es jetzt die erste freie Zeitung in der Landgrafschaft.
Zugleich werden in Meisenheim Forderungen nach personellen Konsequenzen aus der Revolution laut. Die Vertreter der Bürgerschaft fordern die Entlassung von Johann Georg Martin Reinhardt. Der gebürtige Usinger ist seit 1832 Oberamtmann in Meisenheim und agiert dort gewissermaßen als Statthalter des Landgrafen. Er gilt als harter Reaktionär, da er schon in den 1830er Jahren die Meisenheimer Forderungen nach Abschaffung der Mautgebühren und besserer Salzversorgung unnachgiebig niedergeschlagen hat. Vor zwei Wochen hat der Landgraf diese Forderungen zwar als legitim anerkannt, hält aber dennoch weiter an seinem Spitzenbeamten fest.
22. März 1848: Delegation nach Meisenheim +++ Bürgerversammlung
Erstmals nehmen heute Homburger und Meisenheimer Revolutionäre Fühlung zueinander auf: Eine Delegation aus der Homburger Bürgerschaft reist nach Meisenheim, um den dortigen Standpunkt zur Frage einer Landesverfassung zu erfragen. Das ist eine Neuheit, denn bisher hatten die beiden Landesteile der Landgrafschaft, das Amt Homburg und das Oberamt Meisenheim, kaum etwas miteinander zu tun. Jetzt kommt es aber darauf an, gegenüber dem Landgrafen mit einer Stimme zu sprechen, erst recht, wenn es um die Einführung einer Verfassung geht, die ja für beide Landesteile gelten soll.
In Meisenheim selbst liegt die Aufmerksamkeit heute weniger auf der Landes- als vielmehr auf der Kommunalverfassung: Hier debattiert eine große Bürgerversammlung für den gesamten Oberamtsbezirk öffentlich über eine neue Gemeindeordnung für das Oberamt Meisenheim, die wesentlich mehr kommunale Selbstverwaltung bringen soll.
17. März 1848: Einladung zur zweiten Bürgerversammlung
In Meisenheim, dem linksrheinischen Teil der Landgrafschaft Hessen-Homburg, ist die Revolution in voller Fahrt: Erst vor vier Tagen hat eine Bürgerversammlung einen Ausschuss gewählt, der gemeinsam mit dem Meisenheimer Stadtrat einen Entwurf für eine neue Gemeindeordnung mit mehr kommunaler Selbstverwaltung erarbeiten sollte. Heute ergeht schon die Einladung zu einer zweiten Versammlung, auf der in wenigen Tagen schon der fertige Entwurf der Öffentlichkeit vorgestellt, debattiert und basisdemokratisch beschlossen werden soll.
14. März 1848: Abschaffung der Mautgebühren
Die Aufhebung der Straßenbarrieren, also der Mautstellen an den Landstraßen im Oberamt Meisenheim, war eine der wichtigen Märzforderungen, die vor wenigen Tagen dem Landgrafen vorgetragen worden sind. Nach der mündlichen Zusage des Landgrafen wird es heute amtlich: In der Meisenheimer Stadtverwaltung geht die offizielle Verlautbarung ein, dass ab sofort keine Barrieregelder mehr gezahlt werden müssen - eine wichtige wirtschaftliche Entlastung.
13. März 1848: Volksversammlung in Meisenheim +++ Aufruf zu Ruhe und Ordnung
In Meisenheim tritt die gestern erst angemeldete und genehmigte Bürgerversammlung zusammen. Ein Ergebnis ist die Wahl von zwölf Deputierten, die künftig als demokratisch legitimierter Beirat des Stadtrates fungieren sollen – besonders, wenn es darum geht, einen Entwurf für eine neue Gemeindeordnung mit kommunaler Selbstverwaltung zu erarbeiten.
In Homburg bemühen sich Regierung, Stadt und Bürgerwehr darum, nach der turbulenten letzten Woche wieder die öffentliche Ordnung und Sicherheit herzustellen. Sie appellieren gemeinsam an die Bevölkerung: „Bestehen aber im Staate Gesetze, so muss der Staat auch Diener haben [...]. Wie nun diese ihren Ämtern mit Gerechtigkeit und Würde zwar, und ohne Furcht und Schau vorstehen, jedoch dabei nie die wahre Humanität außer Acht lassen sollen, so muss ihnen aber auch Zutrauen entgegen kommen, es muss nicht in denselben ein Feind, ein Andersdenkender, sondern nur der pflichttreue Diener des Gesetzes erblickt werden. Hierzu beizutragen rufen wir euch alle auf, damit außer der wiederhergestellten äußeren Ruhe auch die Ruhe in die Gemüter zurückkehre [...].“
12. März 1848: Volksversammlung genehmigt
Erst vor ein paar Tagen hat der Landgraf die Versammlungsfreiheit vorläufig zugesagt. Heute nehmen ihn die Meisenheimer beim Wort: Der Stadtoberschultheiß meldet beim landgräflichen Verwaltungsoberamt eine Bürgerversammlung für morgen, 10 Uhr, an – und erhält die Genehmigung! Damit kann morgen die erste „legale“ Volksversammlung in der Geschichte der Landgrafschaft Hessen-Homburg stattfinden.
10. März 1848: Forderungen bewilligt! +++ Salzverhandlungen
Heute antwortet Landgraf Gustav auf den gestern übergebenen Forderungskatalog aus dem Oberamt Meisenheim. Die Hauptforderungen – Pressefreiheit, Rechtsgleichheit und politische Amnestie – hat er bereits vor einigen Tagen zugesagt, die Mautstellen sind bereits seit gestern abgeschafft. Auch die meisten anderen Forderungen der Meisenheimer sagt er zu. Das sind: Abschaffung der Most-, Brenn- und Brausteuer; Verschiebung der beabsichtigten Grund- und Gebäudesteuerreform und deren Veränderung zugunsten der Gemeinden; Erlass einer neuen Gemeindeordnung mit stärkerer kommunaler Selbstverwaltung. Bei zwei Meisenheimer Forderungen sagt er zurückhaltend zunächst nur deren Beratung zu, nämlich bei der subsidiären Selbstverwaltung der Sozialfürsorge und deren Trennung vom Amt Homburg und bei der geforderten Rücknahme der Verdoppelung der Erbschaftssteuer.
Bereits aktiv wird die Landesregierung bei einer ganz konkreten Forderung der Meisenheimer Revolutionäre, nämlich für die „unverzügliche Beschaffung eines besseren Salzes mit Herabsetzung des Verkaufspreises“. Der Handel mit Salz ist in Hessen-Homburg ein staatliches Monopol. Sofort leitet der Landgraf Verhandlungen mit seinem Lieferanten, der preußischen Rheinprovinz, ein, deren südlicher Nachbar das Oberamt Meisenheim ist, um die Warenqualität zu verbessern.
9. März 1848: Märzforderungen +++ Straßenbarrieren +++ Angriff der Friedrichsdorfer
Heute kommt eine Abordnung aus dem Oberamt Meisenheim in der Residenz an, wird von Landgraf Gustav empfangen und überreicht ihm ihre „Märzforderungen“. Die Homburger Bürger haben schon vor vier Tagen, am 5. März, dem Landgrafen ihre Forderungen überbracht. Dass die beiden Landesteile der Landgrafschaft, das Amt Homburg und das Oberamt Meisenheim, getrennt voneinander agieren, liegt zum einen an der geographischen Entfernung, zum anderen daran, dass beide Landesteile weitgehend unabhängig voneinander sind – „zwei selbständige Staatsgebilde in Personalunion“ (H. Heinemann).
Eine der konkreten Forderungen aus Meisenheim wird noch am selben Tag bereits erfüllt, nämlich die Aufhebung der Straßenbarrieren, also der Mautstellen an den wichtigen Straßenverbindungen, die durch das Oberamt führen. Sie werden durch Verordnung des Landgrafen von heute aufgehoben.
Für die größte Aufregung des Tages sorgt aber ein Gerücht, das sich wie ein Lauffeuer verbreitet: Angeblich haben die Friedrichsdorfer und Seulberger zum Angriff auf Homburg geblasen. Der Landgraf lässt sofort die Schlossgarde und die erst vor wenigen Tagen gegründete Bürgerwehr alarmieren; beinahe kommt es zu einem irrtümlichen Zusammenstoß. Die Tochter des Landgrafen schreibt in ihr Tagebuch: „Leute aus Friedrichsdorf und Seulberg wollten in das Schloss eindringen, um es zu zerstören. Papa hat M. Rolle [= Befehlshaber der Schlossgarde] befohlen, er solle die Soldaten bei den Waffen behalten und laden lassen. Auch die Nationalgarden sollen bewaffnet werden. Wir sind bis Mitternacht aufgeblieben. Gott sei tausendmal gedankt, es blieb alles ruhig. Wir haben sehr große Angst ausgehalten.“
7. März: Reform der Gemeindefinanzen
Ein wichtiger Punkt der Homburger Märzforderungen wird heute umgesetzt: Es geht um die Accisen, eine Art Umsatz- und Verbrauchssteuer, um deren Einnahmen sich Staat und Gemeinden streiten. Bisher sind die Accisen in die Staatskasse geflossen. Heute weist der Landgraf aber seine Finanzbeamten an, ab sofort die entsprechenden Einnahmen an die Gemeindekassen auszuzahlen.
6. März 1848: Antwort des Landgrafen +++ Demonstration
Heute wird die schriftliche Antwort des Landgrafen auf die gestern übergebenen Forderungen des Volkes öffentlich vorgelesen. Er sagt die Erfüllung aller vorgetragenen Forderungen vor. Dennoch bleiben die Bürger misstrauisch und wollen sich nicht mit leeren Versprechungen abspeisen lassen. Es erscheint daher erneut eine Delegation beim Landgrafen, und ein großer Demonstrationszug durch die Stadt soll deren Forderungen Nachdruck verleihen. Am Abend wirft die Menge am Wohnhaus des landgräflichen Regierungschefs Henrich die Scheiben ein; der unbeliebte Geheimrat flieht aus der Stadt. Es gelingt der Bürgerwehr jedoch, die Randalierer festzunehmen und für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
5. März 1848: Märzforderungen +++ Krawalle +++ Bürgerwehr
Ein Demonstrationszug von rund 400 bis 500 Homburgern, angeführt von Stadtschultheiß Stumpff und dem Bürgerausschuss sowie begleitet vom Turnverein, marschiert zum Schloss, wo eine sechsköpfige Delegation dem Landgrafen ihre Forderungen übergibt. Sie lauten: Pressefreiheit; öffentliche, mündliche Gerichtsverhandlungen und Einführung von Schwurgerichten; ein allgemeines deutsches Parlament; Versammlungs- und Petitionsrecht; bürgerliche und politische Gleichheit ohne Unterschied des Glaubens; allgemeine Volksbewaffnung mit freier Offizierswahl und Aushändigung des landgräflichen Waffendepots; politische Amnestie; kommunale Selbstverwaltung; Rechtsgleichheit; Zuordnung der Accisensteuer an die Gemeinden; Einführung einer Landesverfassung mit freien Wahlen, Budget- und Gesetzgebungsrecht eines öffentlich tagenden Landtags; Steuerreform; Umsetzung der Bauernbefreiung. Als der Landgraf die Erfüllung dieser Forderungen mündlich zusagt und sich der Menge am Fenster zeigt, endet die Demonstration in allgemeinem Jubel.
Zu Gewalttätigkeiten kommt es in Oberstedten und Dornholzhausen. Sie richten sich gegen die beiden Ortspfarrer, der als Werkzeuge des unbeliebten Landrats Des Noyer gelten. Beide fliehen; auch der Landrat verlässt die Stadt. Die Polizeigewalt geht an die Bürger über, die eine Bürgerwehr bilden. Der Turnverein hatte angeboten, diese Aufgabe zu übernehmen. Das lehnt der Bürgerausschuss jedoch aus Angst vor Radikalen unter den Turnern ab.
4. März 1848: Bürgerversammlung +++ Krawalle
Auf einer revolutionären Bürgerversammlung diskutieren die Homburger über den Entwurf eines Schreibens an den Landgrafen, in dem ihre Forderungen formuliert werden. Die Versammlung war weder angemeldet noch genehmigt, ein erschienener Polizeibeamter entfernt sich jedoch "auf einige wohlgemeinte Winke hin" wieder unverrichteter Dinge.
Weniger "wohlgemeint" artikuliert gleichzeitig eine Menschenmenge das Wohnhaus des Landrats und Polizeichefs Des Noyer. Scheiben werden eingeworfen und Schmähschriften an die Hauswand geklebt.
Der Landgraf bereitet sich vor. Seine Tochter vermerkt in ihrem Tagebuch: "Wir sind in großer Unruhe. Papa hat schon alles festgelegt, was er bewilligen wird, soweit dies möglich ist. (Der Großherzog von Darmstadt hat alles bewilligt, um den Frieden aufrechtzuerhalten. Auch in Wiesbaden waren Unruhen.)"
3. März 1848: Stadtratssitzung
Heute tagt der Homburger Stadtrat. Er sieht die Chance, vor dem Hintergrund der von Frankreich ausgehenden Revolutionsstimmung einen neuen Versuch zu machen, vom Landgrafen eine Verfassung für die Landgrafschaft einzufordern, und beschließt, einen entsprechenden Vorstoß zu unternehmen. Als Berater für die Formulierung des Schreibens wird der Frankfurter Anwalt Max Reinganum konsultiert.