Gebückt und demütig in den Karner
Busfahrt zu historisch bedeutsamen Sakralbauten und in die Limburger Altstadt
Am 28.06.2025 nahmen 42 Teilnehmer an der Busfahrt zu historisch bedeutsamen Sakralbauten und in die Limburger Altstadt teil. Diese Veranstaltung wurde vom Geschichts- und Kulturkreis Oberstedten in Zusammenarbeit mit dem Verein für Geschichte und Landeskunde Bad Homburg organisiert.
Die erste Station war die Landsteiner Kirchenruine, wo Wolfgang Ettig, der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Geschichts- und Heimatvereine des Hochtaunuskreises, interessante Informationen bereitstellte.
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Beim ersten Zwischenziel erklärte Wolfgang Ettig den Teilnehmern die erfolgreichen und aufwendigen Arbeiten zur Ausgrabung und Sicherung der Ruine der ehemaligen Wallfahrtskirche „Unsere Liebe Frau zum Land-stein". Als Vorsitzender der „Arbeitsgemeinschaft der Geschichts- und Heimatvereine des Hochtaunuskreises” hatte er die Arbeiten jahrelang intensiv begleitet und unterstützt. Dabei erfuhren die Teilnehmer viel über die Herrschafts- und Besitzverhältnisse im spätmittelalterlichen Taunus sowie über die religiöse Bruderschaft und ihr Wirken am Landstein. Vor über 500 Jahren kümmerte sich diese um die Wallfahrt zur Kirche am Landstein. Ebenfalls interessant waren die historische Materialbeschaffung und die Baustellenlogistik beim Bau der Wallfahrtskirche sowie der Verbleib vieler Bauteile, nachdem die Kirche aufgegeben wurde und als Ruine verfiel. Manche behauenen Teile findet man in Usingen. Den Teilnehmern fiel die sehr gepflegte Präsentation und Gesamtgestaltung des Geländes mit Blumenwiesen und Informationstafeln positiv auf.
Im Bus empfahl der Vereinsvorsitzende Horst Eufinger den Teilnehmern, den neuen Wanderweg „Rund um den Landstein“, den der Hochtaunuskreis zu seinem 50-jährigen Jubiläum angelegt hatte, bei Gelegenheit auszuprobieren. Der 11 Kilometer lange Rundwanderweg führt an ausgewählten kulturhistorischen Denkmälern der Region vorbei. Am Ende des Wanderwegs führt der „Hundert-Stufen-Weg” zu einem Aussichtspunkt, der eindrucksvolle Fernblicke bietet. Dort trifft man auf einer der Bänke auf die lebensgroße Figur eines roten Mönchs, die vom Oberurseler Künstler Hendoc und seinem Sohn erstellt wurde.
Die Renovierung der beiden Türme der St. Lubentius Kirche ist geschafft.
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Stimmungsvoller Durchgang unter der Kirche zur Südseite des Felsens.
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Während Limburg allen ein Begriff ist, war Dietkirchen, das 1971 nach Limburg eingemeindet wurde, für viele ein weißer Fleck auf der Landkarte. Deshalb gab Horst Eufinger im Bus Informationen zu dem Ort mit der berühmten Basilika auf dem hohen Kalksteinfelsen.
Von hier ging im 6. Jahrhundert die Christianisierung der Lahnregion aus. In der im Jahr 838 eingeweihten St. Lubentius-Basilika in Dietkirchen wurden die Gebeine des Missionars Lubentius bestattet, der besonders in der Region an der Mosel wirkte. Über ihn und wie seine Gebeine nach Dietkirchen kamen, gibt es viele Legenden. Jedenfalls gilt die ehemalige Stiftskirche in Dietkirchen als Keimzelle der Christianisierung und war bis ins 13. Jahrhundert der Mittelpunkt der gesamten Region.
Da Dietkirchen an wichtigen historischen Handelswegen und einer Lahnfurt lag, hatte es auch lange Zeit eine größere marktrechtliche Bedeutung als Limburg. Historisch bekannt ist der Dietkirchener Markt, der traditionell und auch heute noch von den Einheimischen „Dickerischer Maat“ genannt wird. Die ersten Anfänge des Marktes liegen im Hochmittelalter. In früheren Zeiten war der Markt ein Anziehungspunkt für Besucher aus der weiten Umgebung und bedeutender als der Limburger Markt. Von den Nationalsozialisten leider abgeschafft, wird der „Dickerische Maat“ seit 1991 wieder alle drei Jahre gefeiert. In diesem Jahr findet er am 5. Oktober statt. Neben vielen mittelalterlichen Ständen, Gauklern, Spielleuten und Essensangeboten nach alten Rezepten sind dann auch zahlreiche Dietkirchener Bürger und ihre Kinder in historischen Kostümen im Ortszentrum unterwegs.
Die Busgruppe wurde in Dietkirchen direkt unterhalb der St. Lubentius Basilika vom langjährigen früheren Ortsvorsteher Bernhard Eufinger empfangen. Er führte die Gruppe durch die Basilika, die momentan aufwändig restauriert wird. Zu den ersten Ergebnissen der Restauration zählen die beiden markanten frisch restaurierten Türme, die unterhalb der Dächer miteinander verbunden sind. In der Kirche beeindruckte die romanische Bauweise mit strahlenden, in Blautönen gehaltenen Glasfenstern. Der Innenbereich erhielt 1855 eine Barockisierung. Zu Beginn seiner Führung stellte Bernhard Eufinger ausführlich den alten Taufstein aus dem 13. Jahrhundert und den Steinsarkophag mit den sterblichen Überresten des heiligen St. Lubentius sowie die innere Architektur der Kirche vor. Danach führte ein Weg unter der Kirche hindurch an einem der kleinen Kapellenanbauten im Gebäude vorbei zur Südseite mit dem Felsabhang hoch über der Lahn. Großes Interesse fand der 1998 am Südhang auf den Fundamenten der ehemaligen Stiftshäuser angelegte Weinberg, auf dem ein hervorragender Rotwein wächst, wie Eufinger berichtete. Dieser wird überwiegend als Messwein genutzt, aber hin und wieder auch Gruppen zur Verköstigung angeboten.
Schade, dass nicht mehr Zeit zur Verfügung stand, denn einige bohrten hartnäckig nach. Bei genügend Zeit hätte Bernhard Eufinger für die Gruppe sicher zwei Fläschchen für eine Verköstigung herausgerückt und dabei noch manche Geschichte erzählen können. Doch so führte der Weg abschließend in den tiefen Untergrund unter der Basilika, in den sogenannten „Karner“, der noch unter der tief liegenden Michaelskapelle im Kalksteinfelsen liegt. Eine sehr enge und niedrige Felsentreppe führte in das Gebeinhaus. Nur tief gebückt und ohne klaustrophobische Ängste war der Raum über Felsstufen zu erreichen. Hier waren unzählige Schädel und Knochen aus früheren Gräbern aufgeschichtet, die bei Bauarbeiten um die Kirche gefunden wurden. Das Gelände um die Basilika war nämlich früher der zentrale Bestattungsort der Region.
Die Gruppe hätte gern noch mehr vom besonderen Charakter des Ortes und seiner Menschen gesehen, der 2012 mit dem „Europäischen Dorferneuerungspreis für besondere Leistungen in einzelnen Bereichen der Dorfentwicklung” ausgezeichnet worden war.
Der Limburger Dom beeindruckte durch seine helle und luftige Konstruktion aus der rheinischen Spätromanik. Der Grundriss des Doms bildet ein Kreuz. Das Rundfenster hinten in Form eines Rades stammt aus dem Jahr 1882 und stellt in der Mitte den Drachentöter Georg da, nach dem der Dom benannt ist.
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Rückseite unseres früheren 1000 DM Scheins mit dem Dom.
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Da die Zeit aber schon sehr fortgeschritten war, fuhr die Gruppe mit dem Bus weiter nach Limburg. Dort fand eine weitere Führung im Limburger Dom statt, der 400 Jahre jünger ist als die Basilika in Dietkirchen. Mit seinen sieben Türmen weithin sichtbar hoch über der Lahn gehört der Limburger Dom zu den bekanntesten Bauwerken Deutschlands – von 1964 bis 1992 zierte der Dom daher auch die Rückseite des Tausendmarkscheins.
Der Unterschied zwischen den beiden Sakralbauten in Dietkirchen und Limburg wurde sofort klar, denn der Limburger Dom ist ein Bau der rheinischen Spätromanik.
Besonders auffällig ist die horizontale Geschossaufteilung mit ihren massiven Pfeilern und Diensten, die mit den hellen und weichen Farben der Steine und ihrer Bemalung beeindruckt. Letztere ist im Laufe der Jahrhunderte etwas verblasst.
So wurden bei den letzten Innenrestaurationen von 1975 bis 1991 über 70 % der originalen Farbfassung freigelegt, die jedoch in diesem Zustand belassen wurden. Die Farbfassung ist somit deutlich weniger farbintensiv als vor 800 Jahren. Auch die farbige Außenfassade entspricht der ursprünglichen Bemalung.
Während die äußeren Natursteinmauern in Dietkirchen unverputzt erhalten bleiben und momentan aufwändig neu verfugt werden, wird der Verputz des Limburger Doms momentan ebenfalls außen renoviert. Jedoch muss die Außenrenovierung des Putzes am Dom alle 50 Jahre wiederholt werden, während die Natursteinmauern der Dietkirchener St. Lubentius-Basilika nach der Restaurierung wieder mindestens 400 Jahre lang halten sollen.
Im nördlichen Querhaus findet man eine Malerei aus dem 16. Jahrhundert, die den Stammbaum von Jesus darstellt. Davor steht das Grabdenkmal des Grafen Konrad Kurzbold aus dem 13. Jahrhundert, die Trägerfiguren sind aus dem 11. Jahrhundert. Der junge Graf, Gründer des Stifts St. Georg, ist mit offenen Augen dargestellt, was den Glauben an ein Weiterleben in der Ewigkeit ausdrücken soll.
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Die beeindruckende Orgel stammt aus dem Jahr 1978 und besitzt 60 Register auf vier Manualen mit 4222 Pfeifen. Die Orgel wurde in der Werkstatt von Johannes Klais aus Bonn gebaut. Eine Reinigung und Überholung erfolgte 2020 durch die Orgelmanufaktur Vleugels aus dem Odenwald. In der Kirche muss es schon sehr früh eine Orgel gegeben haben, denn in den Urkunden wird ab 1331 das Orgelspiel häufig erwähnt.
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Information über die alten Malereien in den Seitengängen neben dem Chor.
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Nach einem gemeinsamen Mittagessen im historischen „Burgkeller” unterhalb des Doms, der von dicken Eichenbalken gestützt wird, erkundeten die Teilnehmer der Exkursion am Nachmittag in kleinen Gruppen die beeindruckende Limburger Altstadt um den Dom.
Der alte Limburger „Burgkeller“ bot gute Speisen, Getränke und Schatten an einem heißen Tag. So hatten die Teilnehmer auch Zeit, viele Eindrücke und Informationen zu „verdauen“.
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Hinten das Werner-Senger-Haus, eines der ältesten Häuser (ca. 1250), das vom Stadtbrand verschont blieb. Besonderheit: 3-seitig massiv gebaut mit Fachwerkfassade. 1802 wurde hier der Schinderhannes eingesperrt, bevor er nach Frankfurt gebracht wurde.
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Die Fahrgasse stadtauswärts zur steinernen Brücke aus dem Jahr 1315 geht links am roten Fachwerkhaus vorbei, der alte Fahrweg (von der Furt durch die Lahn, ab 1306 hölzerne Brücken, die oft zerstört wurden) verlief rechts vom braunen Fachwerkhaus. Links steht das Haus mit der Szenekneipe „Rundes Eck“; hier wurde irgendwann kurzerhand die vorstehende Ecke von 2 aneinandergrenzen-den Häusern abgerissen und die Wand abgerundet, um mehr Platz für den Verkehr zu schaffen.
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Eine solche Fülle an alten Fachwerkhäusern in historisch originalem Zustand ist selten zu finden.
Renate Englisch, Mitglied des Geschichts- und Kulturkreises Oberstedten, Großnichte der bekannten Oberstedter Wirtin „Tante Anna“ und heute wohnhaft bei Limburg, führte eine größere Gruppe zu markanten Häusern in den Altstadtgässchen und erläuterte die Geschichte der Fachwerkbauten. Dabei konnte sie ihr umfassendes Fachwissen über die Besonderheiten der Häuser vermitteln.
Blick von der Fahrgasse stadteinwärts. Rechts das „Gasthaus zum runden Eck“.
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Blick von der Fahrgasse stadtauswärts, rechts liegt die engste Stelle (Bild rechts). Blick auf ein restauriertes Haus. Hier im ältesten Teil der Stadt sind alle Häuser aus dem 12. und 13. Jahrhundert, meistens nach dem großen Stadtbrand 1289 wiedererbaut, die Keller sind oft älter.
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Engste Stelle der alten Handelsstraße von Frankfurt nach Köln, genannt „Via Publica“ oder „Hohe Straße“. Zum heute noch gebräuchlichen Uzwort „Limburger Säcker“ für die Limburger kam es, weil damit die Männer bezeichnet wurden, die hier mit dem Auf- und Abladen der zu vollen Wagen ihr Geld verdienten. Da die Händler zu diesem Zweck auch übernachten mussten, gab es auch einige Wirtshäuser, darunter sicher auch unser Lokal „Burgkeller“, das an der Engstelle liegt.
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Haus der 7 Laster (Hochmut, Neid, Unmäßigkeit, Geiz, Wollust, Zorn, Trägheit), erbaut im 16. Jahrhundert. Das Fachwerk wurde 1669 erneuert und zeigt außergewöhnliche Schnitzereien der Laster an den Balken. Seit 2001 sanierte ein schwedisches Ehepaar das Haus.
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Bronzetafel am Haus der 7 Laster.
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Zum Abschluss des dichten Programms der Busexkursion, die diesmal bei sehr heißen Temperaturen stattfand, genehmigten sich viele Teilnehmer in einer der zahlreichen Eisdielen oder Cafés noch einen leckeren Eisbecher, bevor es mit dem Bus wieder nach Bad Homburg und Oberstedten ging. Vorstandsmitglied Andreas Mengel, der die Fahrt gemeinsam mit Horst Eufinger organisiert hatte, hatte ein Papier mit einem Überblick über die Geschichte von Dietkirchen und Limburg erstellt, das auf der Rückfahrt gerne gelesen wurde.
Die vielfältigen Eindrücke der diesjährigen Busfahrt werden noch lange nachhallen.
Hinten das Haus Römer 2-4-6 (benannt nach Straße und Hausnummer). Sanierung und Erforschung mit Ausgrabungen erfolgten 1986-89, der Keller wurde um 1200 erstellt, das Haus 1289 nach dem großen Brand; schönes, reiches gotisches Fachwerk. Im Keller wurde eine Mikwe gefunden (jüdisches Tauchbad); es ist das älteste freistehende Fachwerkhaus.
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Text und Fotos: Horst Eufinger; herzlichen Dank an Renate Englisch für die interessanten Informationen über die Häuser der Limburger Altstadt und die Führung einer Gruppe durch die Altstadtgassen.
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